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Die »To-do«-Liste

Plötzlich, scheinbar plötzlich, kommt mir in den Sinn, dass ein bisher ruhiger Gedanke meines Denkens doch anders zu bedenken ist. Das ist (war?) der Gedanke: 
Es gibt nur Gegenwart. Vergangenheit ist gegenwärtige Erinnerung und ist gegenwärtiges Denken über Vergangenheit, also Gegenwart. Vor allem: Zukunft ist Fiktion. Die so genannte Zukunft kommt als Gegenwart auf mich zu in Form des jeweils nächsten Schrittes, den zu tun ich eingeladen werde, wortwörtlich nächster, nächstliegender Schritt, jetzt in diesem Moment, gegenwärtig mir angeboten, fast unausweislich. Gegenwart, Gegenwart. Jetzt.


Jetzt aber Zukunft, doch Zukunft.
Scheinbar plötzlich kommt mir in den Sinn: Mit jeder Handlung, mit jedem Wort, mit jedem Schritt produziere ich Zukunft, verfüge ich über Zukunft, verbrauche ich zukünftige Zeit, greife ein in meine zuküntige Zeit und greife ein in zukünftige Zeit von anderen Menschen, bestimme Zukunft, provoziere Zukunft. Indem ich diese Zeilen schreibe, programmiere ich die Korrektur dieser Zeilen, vielleicht die Entscheidung, den Gedanken fallen zu lassen, oder den Gedanken zu diskutieren. Ich weiss nicht einmal, was eigentlich ich programmiere, für oder gegen wen und was ich über Zukunft bestimme. Ich könnte verzagen. Egal, was ich tue, ich verbrauche jetzt, eben jetzt, zukünftige Zeit. Und was ist Zukunft wenn nicht Zeit.


Das ist direkt zu sehen an der täglichen To-do-Liste. Zwischen Aufschreiben und das Aufgeschriebene streichen vergeht Zeit, Zeit, die ich beim Aufschreiben nicht bedacht hatte, jedenfalls nicht als Maß dazu geschrieben habe. Hinzu kommt, dass mehr Ergänzungen als Streichungen die Liste anwachsen lassen und damit den Eingriff in Zukunft erweitert. Der kleine Trick, etwas aufzuschreiben und gleich zu streichen weil ich es schon getan habe, ohne dass es auf der Liste stand, tröstet über den Frust der anschwellenden Liste mit ungestrichenen Vorhaben und Pflichten.

Ich wünsche mir eine Zukunfts-Uhr: sie zeigt zu jedem »To do« drei voraussichtliche Zeitmengen: 1. die Zeit, die vermutlich vergeht bis zum Beginn der Tätigkeit, 2. den vermutlichen Zeitbedarf der Tätigkeit und 3. die Zeit, die beides vermutlich länger braucht als vermutet. Geht auch als Excel-Tabelle oder für den Mac als Numbers-Datei. Was würde geschehen ? Vermutlich würde ich ablesen, dass ich bereits über mein letztes Stündlein hinaus mich und andere festzulegen versucht habe. Welch ein Unsinn.


Was ist der Ausweg ? Prioritäten setzen und sich daran halten ? Schwierig. Gefahr der Selbsttäuschung. Ich bleibe bei der Zuversicht: es gibt keine Zukunft. Zukunft ist nicht erfahrbar. Alles regelt sich entsprechend Energie und Dynamik der Selbstorganisation allen Lebens in jedem jetzigen Moment der Gegenwart. Viele »To-dos« erledigen sich von selbst, viele anders als erwartet. Die Verbindung zwischen Aufschreiben und Erledigen ist fiktiv. Es hat kaum etwas miteinander zu tun. Zukunft ist und bleibt lediglich zukünftige Gegenwart, anders als gedacht, anders als geplant, anders als einmal notiert. Zukunft ist die andere Gegenwart.


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